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  • 24. September 2019

    Den Sternen nun ein bisschen näher: Nachruf auf Leslie Rowe (26K)

    Leslie Rowe

    Von Sandra Maischberger

    An einem Tag im Herbst 1987 saßen wir uns plötzlich gegenüber, in einem kahlen Raum der Deutschen Journalistenschule am Altheimer Eck, glückliche neue Mitglieder der 26. Lehrredaktion, Kompaktklasse. Seit diesem Tag waren Leslie und ich unzertrennlich. Wir waren beide 21, und es verband uns vom ersten Augenblick an – auch – die Liebe zum Journalismus. Wir haben unseren Beruf auch dann noch mit Verve verteidigt, wenn er uns gehörig auf die Nerven ging. In den letzten Jahren vielleicht etwas öfter als am Anfang.

    In unserer 15-köpfigen Klasse hatte Leslie in meinen Augen das beste Stilempfinden. An ihren Sätzen konnte sie ausdauernd feilen, „Redaktionsschluss“ war etwas für Feiglinge. Sie liebte die Sprache, die Worte, geschrieben oder gesprochen. Dass ihre schwere Krankheit ihr ausgerechnet die Fähigkeit genommen hat, sich auszudrücken, war für sie das Schlimmste. Eine grausame Zumutung.

    Leslie war eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin, immer auf der Suche nach neuen Menschen und Themen, die sie erst für sich entdecken, ganz ausloten und verstehen wollte, bevor sie sie weitergab an ihre Hörer oder Leser. Sie gehörte zu der seltenen Sorte Journalisten, die sich im Laufe einer Recherche auch vom Gegenteil einer ursprünglichen Annahme überzeugen ließen. Ihre Fähigkeit zur Selbstkritik war groß. Manchmal, wie ich fand, viel zu groß. Sie war besser, belesener, gebildeter, kultivierter als viele andere. Aber es war einfach nicht ihre Art, das ständig wie eine Monstranz vor sich herzutragen.

    Die sonnigen Seiten des Lebens konnte Leslie in vollen Zügen genießen – es war herrlich mit ihr! Sie liebte Reisen und wurde zur Weltenbummlerin. Sie liebte gutes Essen und wurde zur exquisiten Köchin. Mit ihr konnte man Rotwein trinken und Schokolade essen, ohne einen Hauch von schlechten Gewissen. Ihr Leslie-Lachen an diesen vielen Abenden war wilde Freude, es hat alle mitgerissen.

    Und doch war Leslie wohl das, was man eine „alte Seele“ nennt. Wissend, ernst, tief. Sie hat in Gesprächen immer alle Dimensionen ausgelotet: das persönliche, das politische, das ganze Bild. Sie konnte Menschen lesen, auch wenn sie sie kaum kannte. Ihre Empathie war unbeirrbar (ihre Missachtung, wenn sie mal eine gefasst hatte, übrigens auch). Manchmal ist sie an der Menschheit verzweifelt. Die Menschen aber hat sie geliebt. Nur die Tiere vielleicht noch ein bisschen mehr. Ihr Herz war groß, sie nahm alle leidenden Wesen dieser Welt darin auf. Die, die sie retten konnte, hat sie gerettet, Mensch wie Hund. Für uns, ihre Freunde, war sie immer da, wenn man sie brauchte. Sie war auch schon da, bevor man selbst realisiert hatte, dass man sie brauchte. Sie hasste Boshaftigkeit und Intrigen und fühlte sich immer als Mittlerin zwischen den Fronten, als Moderatorin des fairen Umgangs miteinander, im Freundeskreis wie in der Redaktion.

    Meine Weltenbummlerin und Entdeckerin ist ihren letzten Weg mit großer Tapferkeit gegangen. Sie blieb bis zuletzt, ganz Stier, stur, stoisch und wirklich furchtlos angesichts des Unabwendbaren. Sie wusste, was kommt, und war traurig, aber gefasst.

    Den Sternen war sie manchmal näher als der Erde. Für sie hatte alles eine kosmische Ordnung, was sie ganz wissenschaftlich meinte, nicht esoterisch. Caroline, die dritte im Bunde seit der Journalistenschule, sagt, Leslie sei jetzt nur den Sternen ein bisschen näher gerückt. Das ist ein Gedanke, der tröstet.