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  • 3. November 2023

    Du fehlst: Nachruf auf Fabian Thomas

    Fabian Thomas aus der 59K beim Wandern.

    Wir denken an Fabian Thomas, der am 16. Oktober 2023 bei einem Unfall gestorben ist. Foto: Privat

    Es ist ein langer Tag an der DJS, es ist schon abends, und du schaust rein in ein vermeintlich leeres Klassenzimmer, und da an der Wand steht Fabian Thomas, im Kopfstand. Das sollte dich nicht überraschen: Yoga ist seine Leidenschaft, und zwar die Art von Yoga, in der man Posen ewig hält, bis es nicht mehr angenehm ist.

    Dabei hat sich Fabian doch gar nicht so sehr über Haltung definiert, als er im Herbst 2020 an die DJS kam. Als Erstes müsste uns sein Zugang zur Welt aufgefallen sein: Er ist ein Schreiber, ein Reporter. Fabian hatte ein beneidenswertes Gespür für die richtige Geschichte. Und wenn er sie gefunden hatte, hat er daran festgehalten. Er hat sich nicht davon abschrecken lassen, dass ein Thema auserzählt sein könnte. Er musste vor Ort sein, er musste es selbst sehen. Er hat sich Zeit genommen, schien immer darauf zu vertrauen, dass ihm die Geschichte nicht entgleitet.

    Vielleicht hatte er diese Zuversicht, weil er sich Themen gesucht hat, die ihn fast schon gefährlich angezogen haben: der Traum vom großen Geld, die Versprechen von Predigern.

    Es war diese Faszination, die seine Texte lebendig gemacht hat. Fabian hat offen gesprochen über jene Impulse und Träume, die vermutlich verbreitet, aber oft schamhaft verschwiegen sind. Ja, er wäre gerne reich. Ja, er wäre lieber Journalist in den Achtzigern geworden, als man noch mit einem Koffer Geld nach Kuba geflogen ist und von unterwegs der Redaktion telegrafiert hat, man habe jetzt eine vage Idee für den ersten Artikel.

    Für Fabian war fast nichts zu peinlich, um darüber zu schreiben – das war seine Stärke. In seiner Klima-Kolumne war er der moralisch Unterlegene, er war eben nicht der bessere Mensch. Er hat über Liebe zur Autobahn geschrieben und über Durchfall auf der Campingplatz-Toilette. Ein älterer Journalist habe ihn einmal darauf angesprochen, ob das nicht „der Sache“ schaden würde. Er hätte es wieder so geschrieben.

    Angepasst hat er sich nie. Deshalb hat er gelegentlich störrisch gewirkt. Er hat nachts um drei für seine Texte gekämpft und dann dafür, dass er morgens um sechs ins Yoga kann. Einer seiner vielen Widersprüche: Er war Yogalehrer in Ausbildung und zwischen den Seminaren oft rastlos. Er war sich seines Talents sicher und hat immer wieder an sich gezweifelt. Mal war das Schreiben das Wichtigste, mal die Ruhe vom Schreiben.

    Es hat Zeit gebraucht, um Fabian zu verstehen und manchmal auch, um ihn zu mögen und zu lieben. Wir hatten gerade so die Zeit dafür. Irgendwann hat es einen erwischt, dieses schelmische Grinsen, dieser Witz. Und dann lässt man den Streit ruhen, denn Streit kann man unter Freunden später fortsetzen. Und man lässt die Texte liegen, denn es wird noch so viele Texte geben. Komm, wir machen Yoga. Wir fahren in die Berge, oder trinken einen Aperol, oder fünf. Man muss sowieso so häufig mit sich kämpfen, ewig die Pose halten. Also lass es zu. Lass los.

    Fabian war unbequem ehrlich und er war erheiternd ehrlich. Er war albern, er war witzig, und dann wiederum war er tief sensibel und ernst, wenn es ernst wurde und ihn etwas berührte. Er war unser Freund. Er hätte mit uns noch viele Einsichten teilen können, auch weil er neben dem Journalismus in anderen Welten steckte, in denen er Sinn gesucht hat, in denen er gedacht hat. Wir hätten noch viel Zeit mit ihm gebraucht.

    Fabian selbst hat Zeit gebraucht, hat sich Zeit gelassen, wenn er es konnte. Er hat der Geschwindigkeit des Journalismus misstraut. Wahrheit oder Erkenntnis hat er in kurzen Texten gar nicht erst erwartet, eigentlich hätte es für ihn immer gleich ein Buch sein müssen, ein Roman oder eine Essaysammlung.

    Ein kurzer Text kann ihm nicht gerecht werden. Er hätte einen Roman schreiben sollen, seinen Roman, seine eigene Geschichte. Er hat so viele Ideen mit sich herumgetragen, mit der Geduld, sie noch Jahre herumzutragen, bis die Zeit dafür kommt. Und es ist unfassbar, es ist empörend, es ist schmerzhaft, dass sein Leben mit all seinen Geschichten im ersten Drittel einfach abbricht.

    Fabi, du fehlst.

    Die unvollständige 59K