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  • 23. Juni 2023

    KI Forscher im Interview: „Wir werden in Zukunft guten Journalismus mehr schätzen als früher“

    Stefan Feuerriegel

    ChatGPT verändert die Welt – man kann damit Schlagzeilen formulieren, Bewerbungen schreiben oder Lügen verbreiten. Beim jüngsten Wissenschaftsworkshop der DJS und des Munich Center for Machine Learning diskutierte der Direktor des Instituts für Künstliche Intelligenz im Management an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Stefan Feuerriegel, mit Forschenden und Journalismusstudierenden, was die neue Technologie für Medien und Wissenschaften bedeutet. Tom Haas (61A) hat im Anschluss mit ihm darüber gesprochen, ob KI Fluch oder Segen für unsere Gesellschaft ist.

    Herr Feuerriegel, KI ist in aller Munde. Weshalb?

    ChatGPT war der Aha-Moment, der KI in die breite Öffentlichkeit katapultiert hat. Auch bei mir in der Verwandtschaft werden jetzt die Geburtstagskarten in Gedichtform mit ChatGPT geschrieben. Es ist nur eine von vielen KI-Technologien, aber sie betrifft uns deshalb, weil das Resultat sehr menschlich wirkt.

    Wie genau funktioniert das?

    ChatGPT ist eine Wissensmaschine. Es enthält viele Informationen, weil es einfach die ganze Wikipedia gelesen hat. Es kann auf gewisse Fragen die Informationen abrufen, die im neuronalen Netz gespeichert sind und diese aufschreiben. Und weil es viele Textbeispiele gesehen hat, weiß es auch, wie es Antworten formulieren und strukturieren soll.

    Und was tun wir, wenn KI Falschinformationen generiert? Das ist ja bereits passiert.

    Dadurch wird guter Journalismus viel wichtiger. Ich glaube, wir werden in Zukunft guten Journalismus mehr schätzen als früher, weil er mir eine Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit bietet. Weil er nicht einfach nur Texte aus ChatGPT nimmt, sondern diese einordnet und vor allem auch ihre Richtigkeit prüft. Gleichzeitig werden wir alle viel vorsichtiger werden müssen, was und wie wir etwas lesen. Das betrifft jeden Einzelnen, vom Grundschüler bis zum Journalisten.

    Was ist mit Leuten, die nicht Professorinnen oder Professoren für Künstliche Intelligenz sind? Wie vermitteln wir die Notwendigkeit von gutem Journalismus?

    Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es schnell passieren muss. Denn es ist unglaublich einfach, mit solchen Programmen Fehlinformationen zu generieren. Ich kann zu ChatGPT sagen: „Schreibe mir 100 Nachrichten mit Lügen zu Corona, die sich an das rechte politische Spektrum richten.“ Und selbst wenn ChatGPT da eine Sperre einbaut, dann macht halt ein anderes Programm das.

    Wir können also Lügen am Fließband produzieren, haben aber kein Tool, um Wahrheit zu erkennen.

    Genau – und das Problem wird unterschätzt. Was ist zum Beispiel, wenn staatliche Stellen das nutzen? In der US-Wahl 2016 wurden von Russland erwiesenermaßen Fehlinformationen gestreut. Und es ist möglich, ganz gezielt bestimmte Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Wutbürger anzusprechen. Die Daten und Profile sind ja alle verfügbar.

    Was können wir dagegen tun?

    Das müssen die Schulen und die Medien übernehmen. Sie müssen das Bewusstsein dafür schaffen, wie leicht Fakten manipuliert werden können. Man kann ChatGPT aber auch nutzen, um die Informationen zu verifizieren, die es zuvor geliefert hat. Das ist ein Trick, den wir mehr Menschen zeigen sollten.

    Wäre es denn möglich, ein KI-Tool zu erschaffen, das Quellen für die Aussagen in Texten heraussucht? Dann könnten Journalisten schneller Fakten prüfen.

    Man müsste ChatGPT ein bisschen umbauen, dann geht das. Der Chatbot von Bing sucht ja zum Beispiel das gesamte Internet ab, aber unterscheidet nicht zwischen vertrauenswürdigen und weniger vertrauenswürdigen Quellen. Aber ChatGPT kann auch die Lösung sein. Soziale Netzwerke könnten ja zum Beispiel einen automatischen Faktencheck mit ChatGPT anbieten.

    Wie sieht es denn aus mit Jobperspektiven? Werden Berufe wegfallen?

    Da bin ich vorsichtig. Man hat schon vor zehn Jahren gesagt, dass der Radiologe durch KI ersetzt wird. Heute haben und brauchen wir mehr Radiologen als zuvor. Die Jobs ändern sich, aber es ist keine reine Verdrängung. Vielleicht müssen wir alle am Ende weniger arbeiten und können uns bei gleichem Wohlstand eine Vier-Tage-Woche erlauben. KI wird viele Dinge effizienter machen, aber wir müssen viele Dinge neu lernen, gerade im Umgang mit Informationen. Es liegt an uns, dass wir bei neuen Technologien dafür sorgen, dass sie zum Wohl des Menschen genutzt werden.

    (Interview: Tom Haas)