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    „Es war als Frau in diesem Beruf oft ziemlich demütigend”

    Michaela Güsten (geb. Meisner) war im vierten Jahrgang des Werner-Friedmann-Instituts. Währenddessen verliebte sie sich in einen ihrer Mitschüler und zog mit ihm in den folgenden Jahrzehnten durch die ganze Welt. Von Stationen in Liberia, den USA und Italien hat sie erst weiter als freie Journalistin gearbeitet, den Beruf dann allerdings aufgegeben. Die größte Herausforderung damals: als Frau im Journalismus akzeptiert zu werden. Schon einfacher hatte es die nächste Generation. Güstens Tochter Susanne war selbst in der 26. Lehrredaktion der DJS.

    Michaela Güsten AZ Foto_2004
    Sie sind 1956 an die Journalistenschule gekommen. Welche Ereignisse waren für Sie und Ihre Klassenkameraden persönlich prägend? 

    Michaela Güsten: Wir haben uns damals sehr gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands eingesetzt. Demos gab es damals nicht wirklich. Aber wir haben Artikel und Briefe geschrieben, eine Kampagne gemacht und waren maßlos enttäuscht, als die Wiederbewaffnung doch kam und wir nichts dagegen ausrichten konnten.

    Was war rückblickend betrachtet die größte Herausforderung dieser Zeit? 

    Über die Vorurteile von Männern hinwegzukommen, die keine Gelegenheit ausgelassen haben, mir zu vermitteln, dass ich ihrer Meinung nach nicht in diesen Beruf gehöre: „Was tut dieses Mädchen im Journalismus?“ Ich hatte ständig eine unterschwellige Wut auf diese blöden Männer. Aber dann hatte ich so einen lieben eigenen Mann und konnte nicht mehr so pauschal urteilen.

    Ihr Mann war Ihr ehemaliger Mitschüler Rolf Güsten. Sie haben ihn an der Schule kennengelernt und später geheiratet. Über 50 Jahre waren Sie zusammen. Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung? 

    Eines Tages war er halt da. Am ersten Schultag warteten wir alle vor dem Klassenzimmer. Mit jedem Mitschüler mehr, der die Treppe hochkam, dachte ich: „Menschenskinder, nur Männer. Was soll denn das?“ Mein Mann hat nach der Journalistenschule in München promoviert und war ein Jahr in Paris an der Eliteschule Sciences Po. Wir haben Kontakt gehalten über Briefe. Dann kam er wieder und hat mir wahrscheinlich einen Heiratsantrag gemacht, so genau weiß ich das nicht mehr. 1962 haben wir geheiratet.

    Und die anderen Männer an der Journalistenschule? 

    Wir waren drei Frauen und neun Männer und immer als Clique unterwegs. Es hat mir noch einer einen Heiratsantrag gemacht, aber ich habe vergessen, wie er hieß. Der arme Kerl ist krank geworden. Als ich ihn im Krankenhaus besucht habe, hat er mich gefragt und mir seinen Lebensplan geschildert: Ich sollte das Geld verdienen und ihn pflegen. Aber da habe ich nicht mitgemacht.

    Nicht alle männlichen Kollegen haben Sie geschätzt… 

    Nein, es war als Frau in diesem Beruf oft ziemlich demütigend. Als ich Praktikantin bei der dpa in Hamburg war, habe ich mich in der Mittagspause wie selbstverständlich neben die Kollegen gesetzt, mit denen ich den ganzen Vormittag zusammengearbeitet hatte. Was ich nicht bedacht hatte: Praktikantinnen durften nicht bei den Redakteuren sitzen. Wie ein geschlagenes Hündle musste ich aufstehen, mein Tablett nehmen und irgendwo alleine essen. Man durfte sich nichts anmerken lassen. Ich habe meinen niedrigen Stand einfach hingenommen.

    Welche Interviewpartner und Gespräche werden Sie nie vergessen? 

    Wir haben Franz Josef Strauß in der Bayerischen Landesvertretung in Bonn besucht. Es gab Weißwürste und Bier und ich habe ihn gefragt, was die Bundesregierung mit dem Atomabfall plant. Wohin damit? Er hat mich nur wütend angeschaut und geantwortet: „Liebes Fräulein Meisner, zerbrechen Sie sich nicht Ihr hübsches Köpfchen. Überlassen Sie das den Fachleuten, die werden eine Lösung finden.“ 60 Jahre später gibt es immer noch kein Endlager für den Atommüll. Fräulein Meisner hat sich ihr hübsches Köpfchen umsonst zerbrochen.

    Nach Ihrem Abschluss haben Sie dann eine Redakteursstelle im Bayern-Ressort der SZ bekommen: Wie denken Sie an diese Zeit zurück? 

    Ich bin andauernd mit einem VW in irgendwelche Provinzorte gefahren, musste meine Texte im Auto schreiben und unterwegs irgendwo ein Telefon suchen, um in der Redaktion anzurufen und einer Sekretärin meinen Artikel zu diktieren. Meistens habe ich von irgendwelchen Wirtshäusern aus telefoniert, stand irgendwo zwischen der Tür zur Küche und dem Gastraum und musste mich um die Telefonschnur herumwinden, wenn jemand vorbeigehen wollte.

    Warum sind Sie nicht Journalistin geblieben? 

    Als meine älteste Tochter Susanne geboren wurde, war ich nur sechs Wochen im Mutterschutz. Im Sommer habe ich Sanni in ihrem Körbchen auf unsere Terrasse im Innenhof gestellt und bin zu einem Interview mit einem Metzger gehetzt. Als ich wiederkam, habe ich mich wahnsinnig erschreckt: Das ganze Bettchen war nass, die Nachbarin von oben hatte ihre Blumen gegossen. Ich habe mich noch am selben Nachmittag hingesetzt und meine Kündigung geschrieben. Später sind wir nach Afrika gezogen.

    Wie ging es von da an beruflich für Sie weiter? 

    In Liberia haben wir unsere jüngste Tochter Sarah adoptiert. Von Westafrika ging es nach Washington. Dann haben wir 25 Jahre in Rom gelebt. Eine interessante Stadt, aber der Teufel hole sie. Ich mag eigentlich keine Städte. Anfangs habe ich noch als freie Journalistin weitergearbeitet, dann ehrenamtlich. Ich habe vor allem Fundraising für gemeinnützige Zwecke gemacht. Nicht mehr Journalism, sondern Do-Goodism.

    Das Interview führte Svenja Meier.