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    „In Bosnien brauchten wir einen Generator, um zu telefonieren“

    Karin Storch, achte Lehrredaktion der DJS, arbeitete nach ihrem Abschluss für das ZDF die meiste Zeit als Auslands­korres­pon­den­tin. Sie war Studio­leiterin in Tel Aviv (2005-2009), davor berichtete sie aus Rom (1999-2005), Brüssel (1996-1999), Washington und New York (1973-1975 und nochmals 1986-1995). Im Interview erinnert sich die 72-Jährige an die Kommunikation mit Satelliten, Telegraf und Fernschreiber.

    Frau Storch, Sie haben in vier Ländern gearbeitet. Welche Zeit war für sie besonders herausfordernd?

    Karin Storch: Ich habe 1999 aus Brüssel über den Kosovo-Krieg und den Einsatz der NATO berichtet. Der Krieg wurde aus der Luft geführt, deshalb konnte ich nicht vor Ort recherchieren. Ich musste alle Informationen, die ich von der NATO bekam, hinterfragen: Was stimmt an den Informationen, die mir eine Organisation, die für demokratische Länder spricht, täglich vorsetzt? Was will sie mit den Informationen bezwecken, inwieweit werden Journalisten durch ihre Berichterstattung mit in die Kriegsführung einbezogen?

    Wir haben Sie das überprüft?

    Ich habe immer wieder persönlich mit Mitarbeitern und Leuten gesprochen, die ich auf verschiedenen Ebenen kannte, und nach Widersprüchen in der Informationslage gesucht. Zum Beispiel mit Pressereferenten, Politikern und Oberbefehlshabern aus verschiedenen Ländern. Das war ziemlich viel Fleißarbeit.

    War die Recherche aus Ihrer Sicht damals schwieriger als heute? Oder teilweise auch leichter, weil es keine solche Informationsflut durch das Internet gab?

    Die Auswahl, was wichtig, was wahr, was Fake ist und bei welchen Informationen jemand Einfluss nehmen möchte, ist heute schwieriger. Aber auch damals war das nicht leicht. Zum Beispiel gab es Satellitenbilder vom Militär. Das Militär behauptete, es fahre ein Militärkonvoi über eine Brücke und deshalb hätten sie die Brücke bombardiert, aber man sah auf den Aufnahmen nur schwarz-weiße Pünktchen. Man wusste nicht, ob es wirklich ein Militärkonvoi oder ein normaler Güterzug war. Wenn man ein paar Tage später mehr Details oder andere Aufnahmen zum Vergleich hatte, war es zu spät. Die Nachricht war gesendet und keiner interessierte sich mehr dafür. Heute veröffentlicht das ZDF die Korrekturen wenigstens online.

    Damals hatten Sie kein Internet, kein Mobiltelefon. Wie haben Sie die journalistische Arbeit erlebt?

    Vor allem die Logistik war eine Herausforderung. In den USA zum Beispiel haben wir in den ersten Jahren unentwickeltes Filmmaterial zum Flughafen gefahren und Passagiere gefragt, ob jemand es mit nach Deutschland nimmt. In Frankfurt hatte das ZDF ein Flughafen-Büro und die Filmbüchse dort in Empfang genommen. Eine Satellitenüberspielung hätte 15.000 Dollar gekostet. Viel zu teuer. Man hat es nur ein einziges Mal bei Richard Nixons Rücktritt gemacht, das war 1974. 1987 hatte ich dann, glaube ich, meinen ersten Laptop. Den musste ich an Telefonleitungen anklemmen. Später in der Brüsseler Zeit, 1996 bis 1999, hatten wir Schlüssel für bestimmte Telegrafenmasten in den Niederlanden.

    Wie hat das funktioniert?

    Wenn wir mit dem Kamerateam unterwegs waren, haben wir auf einer Liste nach Telegrafenmasten gesucht, dort unser mobiles Schnittgerät angeschlossen und nach Mainz überspielt. Für eine kurze Zeit hatte ich außerdem ein Satellitentelefon, das hatte die Größe eines Laptops. Das galt als ungeheuer modern. Es war aber schwierig, damit überhaupt eine Verbindung herzustellen. In Bosnien brauchten wir einen Generator, um zu telefonieren. Manchmal haben wir mit der Redaktion auch über Fernschreiber im Hotel kommuniziert. Ich finde es wahnsinnig faszinierend, wie sich die Kommunikationsmittel in meinem Leben entwickelt haben. Ich würde gern wissen, wie es in 20 Jahren ist.

    Nicht nur die Kommunikationsmittel und Logistik, auch die Geschlechterbilder haben sich verändert. Wie war es für sie als Frau in ihrer Anfangszeit?

    Ich hatte das Gefühl, nicht richtig dazuzugehören. Meine männlichen Kollegen gingen abends etwas trinken, ich war außen vor. Unter den Auslandskorrespondenten war ich für eine Zeit die einzige Frau. Andererseits glaube ich, dass ich bei Recherchen vor Ort oft an mehr Informationen gekommen bin. Zum Beispiel hatte ich bei der NATO den Eindruck, dass meine männlichen Gesprächspartner sich gern selbst darstellten, gerade im Militär, und mir bevorzugt von ihren Plänen erzählten. Sie dachten wahrscheinlich, dass sie mir als Frau alles genau erklären müssten. Es hatte also auch Vorteile – aber das waren bescheidene Vorteile. Ich war immer schlechter bezahlt als meine männlichen Kollegen. Das hat sich bis heute für Frauen nicht geändert.

    Das Interview führte Lisanne Dehnbostel.