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  • “In Israel war ich von morgens um fünf bis Mitternacht am Senden”

    Hans Tschech, vierte Lehrredaktion der DJS, ist als Journalist viel gereist. Nach einigen Jahren in der Nachrichtenredaktion des Bayerischen Rundfunks arbeitete er als Auslandskorrespondent in London, Washington und Tel Aviv. Ein Gespräch über Thomas Gottschalk im BR-Studio, den ersten Golfkrieg, Anschläge in Jerusalem und einen Besuch von Loriot in der DJS.

    Herr Tschech, wie sind Sie dazu gekommen, sich an der DJS zu bewerben?

    Hans Tschech: Ich bin in München aufgewachsen und war zwei Jahre bei der Bundeswehr. Danach wusste ich nicht, was ich tun sollte, und habe erst mal Jura studiert. Von diesem Studium aus habe ich mich bei der DJS beworben. Das war ein merkwürdiger Zufall. Ich habe damals an der Freien Universität in Berlin studiert, die Mauer war ganz neu. Und meine Mutter hat mir einen Ausschnitt aus der Süddeutschen Zeitung geschickt mit dem Hinweis, die Deutsche Journalistenschule macht wieder eine Aufnahmeprüfung. Sie hat irgendwie geahnt, dass mir das liegen könnte.

    Nach der Schule sind Sie zum BR in die Nachrichtenredaktion gegangen. Wie war es dort?

    Ich war Anfang zwanzig und einer der Jüngsten. Es gab nur eine Kollegin, sonst waren alles Männer. Die waren fast alle noch Kriegsteilnehmer. Dort habe ich die Nachrichten geschrieben. Die kamen per Fernschreiber. Es gab ja noch keinen Computer, es gab nicht einmal ein Faxgerät, auch keinen Drucker. Es wurde noch mit einer Maschine abgezogen, die immer nach Spiritus gerochen hat, damit wurden die Kopien gemacht. Die Nachrichten wurden aus den vorliegenden Agenturmeldungen diktiert, von einer Sekretärin, die gegenüber saß, getippt und an die Sprecher gegeben. Einer der Sprecher war damals Thomas Gottschalk.

    Inwiefern war die Nachrichtenauswahl damals anders als heute?

    Es war sehr viel mehr obrigkeitshörig, die Institutionen waren wichtiger, es gab nicht wie heute „Human Interest“. Unvergesslich geblieben ist mir 1966, da haben Gunter Sachs, ein deutscher Playboy, und Brigitte Bardot, die Ikone der Filmindustrie, in Las Vegas geheiratet. Das wäre heute eine Supersensation, das käme in der Tagesschau. Das hat ein Kollege früh um neun Uhr in den Kurznachrichten als allerletzte Meldung gebracht. Danach gab es eine Diskussion darüber, dass man so etwas überhaupt meldet. Aber wenn der Fraktionsvorstand der bayerischen FDP getagt hat, dann haben wir das gebracht.

    Sie sind dann als Auslandskorrespondent nach London gegangen.

    In London war das Studio in einer Wohnung südlich der Themse. Da gab es einen winzigen Raum als Studio, da stand ein Tonbandgerät, ohne jede Schalldämpfung. Und man musste bei der Post anrufen für eine Leitung nach München, da konnte man die Sachen überspielen. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, mein Englisch war gar nicht mal so gut. Ich hatte noch einen Intensivkurs gemacht und bin dann schnell reingekommen – aber für mich war es nach den üblichen Urlaubsreisen der erste Auslandsaufenthalt.

    Danach wechselten Sie nach Washington. Woran erinnern Sie sich da besonders gut?

    Aus München kam damals ein Techniker und hat mir meinen ersten, vom BR selbst gebauten Computer hingestellt. Das war ein komisches Gerät. Unter Bush senior habe ich dann den ersten Golfkrieg mitbekommen, das war ein sehr einschneidendes Erlebnis. Da hat man auch die Stimmung gespürt in Washington. An dem Abend, wo sie angegriffen haben, standen die Leute mit Kerzen vor dem Weißen Haus. Es war eine sehr bedrückte Stimmung, die Amerikaner hatten große Angst. Wir haben uns dann zusammengeschlossen als Kollegen, da saßen ja noch sechs, sieben ARD-Korrespondenten. Wir haben eine Gemeinschaftsredaktion gebildet und waren 24 Stunden lang immer besetzt.

    Nach England und den USA war danach Israel Ihre dritte Station als Auslandskorrespondent.

    Das war auch sehr spannend. Damals war das Interesse an der Region riesengroß. 1996 kam ich dorthin, da gab es jede Menge Anschläge, beim Friedensprozess wusste keiner, wo das hinführt, weil es auf beiden Seiten massive Widerstände gab. Wenn da etwas los war – und es war ständig etwas los –, war ich von morgens um fünf bis Mitternacht am Senden und bei jedem Anschlag kamen alle Sender der ARD und wollten etwas haben. Das ist kaum vorstellbar. Da kommt ein Anruf, Anschlag in Jerusalem, mehr weiß ich auch nicht, und schon geht das Telefon ununterbrochen. “Hier ist NDR soundso, wir wollen gleich was haben, gleich auf Sendung.” Das ist ein völlig sinnloser Exzess im Journalismus. Weil: Wenn man nichts weiß, weiß man nichts, man muss halt ein paar Minuten warten. Aber dem kann man sich nicht entziehen.

    Sie haben die Arbeit als Auslandskorrespondent jahrelang erlebt. Was denken Sie rückblickend über den Beruf?

    Journalismus zeichnet sich aus durch Neugier: Man will Neues sehen, Vieles kennenlernen. Und insofern ist das Ausland, was ein neues Gebiet ist, schon interessant. Ich würde es jedem empfehlen.

    Wie blicken Sie auf Ihre Zeit an der DJS zurück?

    Die Erinnerung ist sehr positiv. Ich erinnere mich an einzelne Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer. Wir hatten als Lehrer ja noch Figuren aus der Vergangenheit, Immanuel Birnbaum zum Beispiel. Und bei uns hat der Loriot als ganz junger Mann über Karikaturen geredet. Ich habe heute noch so ein Männchen von ihm, das hat er uns allen gezeichnet.

    Das Interview führte Laurenz Schreiner.